Historisches

Am Anfang war ein gewisser Herr Fritze

Ein Jahrhundert Dorfschule in Gatow /Von Margarethe Ahlers

Eigentlich feiert ja nicht die „Grundschule am Windmühlenberg“ Jubiläum, eigentlich feiern wir „ein Jahrhundert Dorfschule in Gatow“. Unsere Grundschule war ursprünglich als Lazarett geplant. Das  Gebäude wurde zur Schule, weil Soldaten der russischen Armee die alte Gatower Dorfschule in der Buchwaldzeile 1945 abgebrannt hatten. Das und noch viele andere interessante Details schlildert Margarethe Ahlers in diesem Beitrag.

Die erste erhaltene Information über die Gatower Schule findet sich im Geheimen Staatsarchiv und stammt aus dem Jahre 1839. Ein gewisser „Fritze“ wird Lehrer in Gatow.

Es existiert noch eine Liste zur Erhebung des Schulgeldes: Für die Monate April bis September 1839 wurden zu Gatow 47 Kinder erfaßt, eine Schulabrechnung aus dem Jahre 1844 ergibt Einnahmen von 76 Talern, 26 Groschen und 10 Pfennigen.

Der Lehrer hatte damals zwei Ämter, er war gleichzeitig Küster. Im Jahre 1907 wandte sich der Kladower Pfarrer Schall, der gleichzeitig Ortsschulinspektor war, an die Schulabteilung der Königlichen Regierung in Potsdam mit der Bitte, dem Lehrer Bernhard Katzwedel die zweite Lehrerstelle in Gatow zu geben. Begründung: „Katzwedel ist Gatower Kind, daselbst am 12. 7. 1887 geboren, seine sehr ehrbaren Eltern wohnten früher in Gatow.“ Katzwedel erhielt die Stelle, und vermutlich hat er schon eine der drei Klassenstufen in der neuen Schule übernommen.

1904 nämlich war die Entscheidung für den Bau einer neuen Schule an der Buchwaldzeile gefallen. Die endgültige Fertigstellung war für den 1. April 1905 geplant, die Baukosten betrugen 32 250 Mark.

In der Gatower Schule gab es für damalige Verhältnisse reichlich Platz. Drei große Klassenräume, eine Wohnung für den Lehrer und allerlei Nebenräume waren vorhanden.

Am 30. April 1908 gab es hier 116 Schüler (69 Knaben, 47 Mädchen). Die erste Klassenstufe umfaßte 32 Schüler und hatte 30 Wochenstunden Unterricht, die 43 Schüler der zweiten Klassenstufe mußten ebenfalls 30 Wochenstunden die Schulbank drücken, und die 41 Schüler der dritten Klassenstufe brauchten erstaunlicherweise nur zwölf Stunden in der Schule zu sein. Bis 1910 allerdings reduzierte sich der Schulunterricht für die erste und zweite Klassenstufe auf 28 bzw. 24 Unterrichtsstunden.

Kreisarzt: Allgmeiner

Gesundheitszustand: gut

Es gab auch schon Schuluntersuchungen. An der „Reinlichkeit des Körpers und der Kleider“ fand der Kreisarzt 1908 in Gatow nichts auszusetzen. Den allgemeinen Gesundheitszustand nannte er im Untersuchungsbericht „gut“. Er stellte lediglich ein gehäuftes Auftreten von Halsdrüsenschwellungen fest. Damit kündigte sich die Diphterie-Epidemie an, derentwegen auch im Herbst 1908 für mehrere Wochen der Schul- und Konfirmationsunterricht ausfallen mußte. Noch einmal mußte die Schule wegen einer Masern-Epidemie im Jahre 1913 geschlossen werden.

Ein wichtiger Tag in der Schulgeschichte ist der 8. Mai 1912. Der Gemeinderat in Gatow gibt nach und erklärt sich endlich bereit, die Kosten für den katholischen Religionsunterricht zu übernehmen. Sie betrugen 200 Mark im Jahr. Die Gatower hatten eigentlich nichts gegen den Religionsunterricht, nur zahlen wollten sie dafür nichts. Eine Vorgabe der königlichen Regierung bestimmte nämlich, daß bei 12 einheimischen katholischen Schulkindern gezahlt werden mußte, und seit 1909 gab es in Gatow 15 katholische Schulkinder.

In dieser Zeit veränderte sich der Unterricht kaum, in acht Jahren Volksschule lernte man lesen, schreiben und rechnen, und man hatte sehr viel Religion. Die Schulferien waren den landwirtschaftlichen Bedürfnissen angepaßt. Einige Gatower erinnern sich noch daran, daß die Herbstferien wegen der Kartoffelernte drei Wochen dauerten.

1920 verlor Gatow seine Selbständigkeit und wurde nach Spandau – und damit nach Groß-Berlin – eingemeindet. Glücklich waren die Gatower wohl nicht über diese Maßnahme.

Bei der Übernahme ist das „neue Schulhaus“ mit 36.400 Mark als größter Aktivposten im Vermögen der Gemeinde Gatow ausgewiesen.

Zum Picknick in

den Grunewald

In den zwanziger Jahren gab es auch schon verschiedene Schulausflüge. Besonders in Erinnerung geblieben ist einigen älteren Gatowern der jährliche Ausflug in den Grunewald, nach Potsdam oder Werder. Unter der Führung des Lehrers war das ganze Dorf daran beteiligt, man fuhr mit dem Dampfer und hatte Picknickkörbe dabei. Der winterliche Schlittenausflug allerdings war den Kindern vorbehalten.

An einige Besonderheiten mancher Lehrer erinnert sich noch heute der eine oder andere Gatower. So soll es einen Lehrer gegeben haben, dessen ungerechtes Prügeln einigen noch heute den Ärger hochkommen läßt.

Ein Lehrer namens Orthband hatte das Segelfliegen als Hobby. Die Jungen durften ihm helfen, seine Leinenkonstruktionen auf den Windmühlenberg zu tragen, von wo aus der Segler mit einem Katapult abgeschossen wurde und ungefähr dort landete, wo heute die Grundschule am Windmühlenberg steht.

Das Schulhaus in der Buchwaldzeile wurde 1945 von den Russen angezündet. Der damalige Lehrer soll „vergessen“ haben, das Hitlerbild abzunehmen.

Das Gebäude, welches heute die Schule beherbergt, war während und nach dem Krieg als Lazarett zur Rehabilitierung Kriegsverletzter gebaut worden. Es wurde aber nie zu diesem Zweck benutzt, die Gründe dafür sind unbekannt. Ebenso ist bislang der genaue Zeitpunkt, zu dem dort der Schulbetrieb aufgenommen wurde, nicht feststellbar.

Am 8. September 1957 erhielt die Schule aufgrund des Beschlusses der Bezirksverordnetenversammlung den Namen „Schule am Windmühlenberg – Grundschule“. Zwischenzeitlich war sie eine Filiale der Grundschule am Weinmeisterhorn, und im April 1971 wurde sie selbständige Schule, nun die 24. Grundschule im Bezirk Spandau.

Eltern setzen sich durch:

Die Schule bleibt !

Bis zum Jahre 1977 war die Entwicklung der Schülerzahlen rückläufig, vermutlich, weil in den an den Schuleinzugsbereich angrenzenden Gebieten größere und modernere Schulbauten entstanden sind. Es bildete sich eine Elterninitiative, die sogar mit Zeitungsannoncen um Schüler für die Gatower Schule warb, denn es drohte die Schließung. Diese konnte verhindert werden, denn viele Eltern schätzten für ihre Kinder die ländliche Lernumgebung.

Nicht nur aus Raummangel wurden um 1980 manche Klassen der Schule an die Englische Schule auf dem Flugplatz Gatow verlagert. Die Schulraumnot wurde sogar so groß, daß ein Anbau gefordert werden mußte. Inzwischen befanden sich auch drei bis vier Beobachtungsklassen an der Schule, und noch immer nutzte ein Sportverein drei Räume als Umkleideräume. Eine Turnhalle fehlte schon lange.

Im Jahre 1985 wurde ein Anbau mit drei Klassenräumen an der Südseite des Schulhauses eingeweiht. Damit war zunächst die schlimmste Raumnot beseitigt. Das übrige Gebäude befand sich noch immer in einem baulich schlechten Zustand, so daß immer wieder die Grundrenovierung gefordert werden mußte.

1988/89 schließlich erfolgte der Umbau und die Modernisierung des Schulhauses. Fast alle Klassen der Schule wurden für ein halbes Jahr an verschiedene andere Spandauer Schulen ausgelagert, manche befanden sich sogar im Norden des Bezirks. Die Schule hatte nun ausreichend Räume zur Verfügung, denn der Sportverein bekam Umkleidecontainer auf dem Schulhof.

Endlich: Grundstein

für die Turnhalle

Der seit vielen Jahren von Eltern und Lehrern wiederholt angemahnte Turnhallenbau befand sich zu diesem Zeitpunkt schon in der baulichen und finanziellen Planung, wurde aber wegen fehlender Mittel immer wieder verschoben. Schließlich legte man im Juni 1991 den Grundstein.

Das Schulleben hatte sich in der Zwischenzeit dem „Zeitgeist“ entsprechend verändert. Es entstanden mehrere Arbeitsgemeinschaften, da nun auch die räumlichen Voraussetzungen dafür vorhanden waren. Die Schülerzahlen der Beobachtungsklassen waren aufgrund der Integration, die auch an dieser Schule eingeführt wurde, rückläufig, und seit 1992 gibt es keine Beo-Klassen mehr. Im gleichen Jahr entstand an der Schule eine erste Klasse mit Integration.

Weitere, das Schulleben auflockernde und belebende Aktivitäten der letzten Zeit waren die Projekttage gegen Ausländerfeindlichkeit (März 1993), ein großes Zeltlager auf dem Schulgelände, organisiert von dem Katecheten Herrn Lehmann (Mai 1993), sowie ein Schulkonzert der Lehrer (September 1993), ein Schülerkonzert (Dezember 1993) und der Hausmusikabend (März 1994).

Seit Januar 1994 wird nun die neue Turnhalle benutzt, und mit der offiziellen Einweihungsfeier am 17. Juni 1994 schließt derzeit die Chronik.

Ganz besonderer Dank gilt den Mitgliedern des Arbeitskreises Gatow, Frau Schillo, und Herrn Kurt Wäsch, die beide aus Archiven und mündlichen Überlieferungen heraus die Anfänge der Gatower Schule aufspürten und zur Verfügung stellten. Die „Chronikerin“ der Schule ist jederzeit dankbar für Ergänzungen und Beiträge, besonders aus der Zeit von 1945 bis 1977.